"Land bremst Mülheim 2020"
 

Kölner Stadt-Anzeiger vom 26.03.2010


Land bremst Mülheim 2020

FÖRDERPROGRAMM Zuschüsse werden eingefroren - Anwohner wollen nicht für Erneuerung der Straßen zahlen

VON HELMUT FRANGENBERG

Maria Dröger, Chefin des Amtes für Stadtentwicklung, wünscht sich "Aufbruchstimmung für einen benachteiligten Stadtteil". Die Diskussion um die schleppende Umsetzung des Strukturförderprogramms "Mülheim 2020", die Ende 2010 mit schweren Vorwürfen gegen die Verwaltung eskalierte, würde sie am liebsten vergessen machen. Ausschreibungen für drei Projekte des Maßnahmenpakets seien fast abgeschlossen, sechs weitere für April fest eingeplant. Dazu gehören die Sprachförderung in Kindertagesstätten, das Mülheimer Bildungsbüro und die "Qualifizierungsoffensive Sport und Bewegung".

Der Stadt ist es mittlerweile gelungen für einige Projekte eine Fristverlängerung bis 2014 zu erreichen. Die 40 Millionen Euro der Europäischen Union stehen nur in einem begrenzten zeitlichen Rahmen zur Verfügung. Kritiker befürchten, dass Millionen verfallen könnten, weil die Stadt so lange braucht, um die einzelnen Projekte in Gang zu bringen. Oberbürgermeister Jürgen Roters hat mittlerweile eine Mitarbeiterin zur besseren Koordinierung der Aktionen eingesetzt. "Seitdem läuft es besser", sagt der Mülheimer Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs. Doch von der im zuständigen Amt der Stadtverwaltung gewünschten "Aufbruchstimmung" ist bei Fuchs noch nicht so viel angekommen. "Es geht mir immer noch alles zu langsam."

Fragt man Amtsleiterin Dröger, ob nun endlich mehr Tempo in Mülheim 2020 sei, bekommt man eine überraschende Antwort: "Da war immer Tempo drin." Man habe mit den vorhandenen Ressourcen das Beste geleistet. Am Prozess Beteiligte hatten kritisiert, dass die Verwaltung der viertgrößten Stadt Deutschlands Schwierigkeiten hat, jene Anforderungen zu erfüllen, die Europäische Union an jede Gemeinde Europas stellt. Zu den Schwierigkeiten, die europäische Vergaberegeln, aber auch die mangelnde Abstimmung zwischen den Fachämtern bereiten, sind neue hinzugekommen: Für mehrere Projekte aus dem Bereich "lokale Ökonomie", mit denen Wirtschaftskraft und Beschäftigung in Mülheim gefördert werden sollen, fehlt die Zustimmung des Landes.

Nachdem CDU und FDP erfolgreich gegen den Haushalt der rot-grünen Regierung geklagt hatten, können vorerst auch Mittel der EU nicht mehr weitergegeben werden. Die Bezirksregierung stellt zurzeit keine Bewilligungsbescheide aus. Vorher kann nicht ausgeschrieben werden. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, würden die Ausschreibungen zumindest schon einmal vorbereitet, sagt Dröger.

Für Diskussionen sorgen auch Bauprojekte, die wichtigen Straßen zu mehr Attraktivität verhelfen sollen. "Die Stadt kassiert Fördergelder und lässt die Bürger bluten", kritisiert die Bürgerinitiative "Rettet Mülheim 2020 - rettet unsere Feeder". Hintergrund ist die Ankündigung der Stadt, die Anwohner der Straßen an den Kosten zu beteiligen. So kommen bei der Frankfurter Straße, aus der eine "Flaniermeile" werden woll, mehrere Tausend Euro an Abgaben auf jeden Hausbesitzer zu, die sie an die Mieter weitergeben können. "Steigende Mieten, Leerstände und weitere Vertreibung alteingesessener Fachgeschäfte werden die Folge sein", so die Bürgerinitiative. Das wäre das Gegenteil von dem, was "Mülheim 2020" will. Wie viel Anlieger bei der Straßenerneuerung und Aufwertung zu zahlen haben, sei gesetzlich geregelt, so die Stadt. Da könne man wenig tun, um den Mülheimern entgegenzukommen.

Die Neugestaltung des Bahnhofvorplatzes geschieht dagegen ohne Anliegerbeteiligung - obwohl dem Anlieger, der Deutschen Bahn, der Platz sogar gehört. Auch das sei rechtlich geregelt, argumentiert die Stadt. Straßenbaubeträge der Anlieger werden nur für öffentliche, nicht aber für private Flächen erhoben. Deshalb müsse die Bahn für den neuen Platz nicht zahlen.



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