NRhZ "Ausplünderungszug"
 

NRhZ vom 23.03.2011


Neues zum Kölner Stadtteilprojekt Mülheim 2020
Ausplünderungszug


Von Rainer Kippe

Wie eine Bombe schlug am vergangenen Mittwoch bei der Anhörung zum Ausbau der Frankfurter Straße in Köln Mülheim das Flugblatt von "Rettet unsere Veedel“ ein. Die Initiative hatte aufgedeckt, dass die Anlieger auf dem Löwenanteil der Ausbaukosten der Mülheimer Hauptgeschäftsstraße zu einem „Boulevard“ sitzen bleiben werden. Peinlich: im Beisein des Oberbürgermeisters, der noch einmal die Bedeutung von Mülheim 2020 für das Veedel hervorgehoben hatte, musste Baudezernent Streitberger einräumen, dass die Bürger nicht weniger als 50% der Ausbaukosten werden bezahlen müssen. Dass es nicht noch mehr wird, liegt allein daran, dass es sich um eine Bundesstraße handelt und dass deshalb die reinen Fahrbahnkosten der Bund bezahlen muss.

Aber nicht nur deshalb bekam die Verwaltung die Wut der Bürger zu spüren. So beschwerten sich Bürger, "Flaniermeile“ und Boulevard in Mülheim würden bedeuten, dass die Bürgersteige noch schmaler werden, als sie jetzt schon sind. Die dafür versprochene "Multifunktionszone“ stehe nicht den "Flaneuren“ zur Verfügung, sondern soll abwechselnd für Parken und Straßencafés genutzt werden. Wenn man den Meter abzieht, den Dezernent Streitberger den Geschäften für Auslagen und Werbung zugesteht, bleibt den Fußgängern nicht viel mehr als ein Meter - viel zu wenig für eine Geschäfts- und Einkaufsstraße.

Kölner OB Jürgen Roters - anscheinend etwas betroffen in der Mitte des Podiums
Noch schlechter ergeht es den Radfahrern. Teilweise haben sie eine eigene Spur auf der Fahrbahn, aber an den Überwegen und Kreuzungen mit Linksab-biegern, da also, wo es eng und gefährlich wird, wird sie ihnen weggenommen, und sie müssen zwischen Busse und Autos. Ganz abenteuerlich sind die Planungen für kleine Plätze, wo man draußen sitzen kann. Dafür müssen kleine Anwohnerstraßen, wo jetzt kaum ein Auto durchpasst, für Gegenverkehr aufgeweitet werden. Zumindest von dieser Planung rückt die Verwaltung aber inzwischen ab. Die Stadt bezahlt für das Ganze fast nichts: ihr Anteil von 1,4 Mio. wird fast ganz durch EU- und Landeszuschuss von 1,3 Mio. aufgewogen.

Nichts bezahlt im Gegensatz zu den Anliegern auch die Bahn: sie bekommt ihren Bahnhofsvorplatz für Null hergerichtet und muss - oh Wunder - auch keine Anliegergebühren bezahlen. Hier zeigt sich wieder einmal, dass die Stadt sich in die Hände der inzwischen privatisierten DB begeben hat.


Güterhallen - Abbruch gestoppt

Schwer angeschlagen präsentierte sich Streitbergers Bauverwaltung auch bei der Frage der Nutzung der Güterhallen durch eine schiitische und eine christliche Gemeinde. Während im Schreiben zur Anhörung vom 8.März noch vorrangig von Brandgefahr die Rede war, behauptet Bauamtschef Willms nun in einem neuen Schreiben, es gehe hauptsächlich um eine fehlende Nutzungsänderung. Zitat: „Letztlich sei angemerkt, dass ich vorrangig aus dem Rechtsgrund der formellen Illegaltität (Fehlen der notwendigen, förmlichen Baugenehmigung) hier vor Ort gegen die durch Sie zu verantwortende Nutzung vorgehe.“
Damit folgt er wieder nur der Stimme seines Herrn, des Immobilienspekulanten Aurelis, welcher - im Besitz von der Deutschen Bahn über die West-LB, Hochtief bis zum US-Investor Redwood Groove - es jetzt bis zu einer spanischen Heuschrecke geschafft hat. Dort, in den Chefetagen internationaler Konzerne wird offensichtlich längst entschieden, was in Köln Recht zu sein hat. Und weil Aurelis mittlerweile begriffen hat, dass man mit dem Kölner Bauamt doch nicht so leicht zum Ziel kommt, wurde der bereits begonnene Abbruch wieder gestoppt.

Zeit also für OB Roters, der auch für das Dezernat Stadtentwicklung zuständig ist, endlich das vom Rat beschlossene Entwicklungskonzept für Mülheim Nord und das Nutzungskonzept für die Brache vorzulegen. Sein Baudezernent Streitberger ist damit ganz offensichtlich überfordert - sagte er doch am Mittwoch bei der Bürgeranhörung zur Frankfurter Straße, als er nach diesen Konzepten gefragt wurde, das sei eine „sehr schwierige Aufgabe“. (PK)

Zum Artikel auf der NRhZ-Seite (mit Fotos)


Weitere Informationen und Fotos zur Veranstaltung auf der Seite von Marco Laufenberg
http://www.radfahren-in-koeln.de/2011/02/10/40-millionen-euro-zu-verprassen/