"Fahrradwege"
 

24.06.2011 Express

Gericht entscheidet
Abkehr vom Konzept der Kleinteiligkeit

von Chris Merting


Das wird das Fiasko auf unseren Straßen weiter verschärfen. Radfahrer müssen bald nicht mehr die Radwege nutzen, sondern können auch direkt daneben auf der Straße fahren. Die Stadt steht vor einem Riesenproblem.
Radwege, die die Städte für Millionen gebaut haben, sind nicht mehr Pflicht, sondern nur „ein Angebot“ für Radler. Das ist nach dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts Leipzig mit dem Aktenzeichen BVerwG 3 C 42.09 die neue Lage.
Hunderte blaue Gebotsschilder ordnen noch die Radwegenutzung an. Denn jahrelang galt landauf, landab, dass man zur Unfallverhütung Radler und Autos trennen müsse.
Dieser Grundsatz war den Richtern nun viel zu allgemein, um den Radlern die Straße generell zu verbieten. Außerdem hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass abgesetzte Radwege auf den Bürgersteigen ein höheres Unfallrisiko bedeuten, als das Radeln auf der Straße. Immer wieder kracht es dort mit Fußgängern und an Einmündungen mit Autos.
Nach dem Urteil muss die Stadt reagieren. „Wir haben bereits rund 100 Abschnitte in Bearbeitung“, bestätigt Kölns Fahrradbeauftragter Jürgen Möllers: „Die Nutzungspflicht darf als absolute Ausnahme nur noch aufrechterhalten werden, wenn die Straße eine »erheblich gesteigerte Gefahr«, quasi für Leib und Leben, darstellt.“ Und das sei bei den allermeisten nicht der Fall. Heißt: Schilder abmontieren. Auf der Krefelder Straße fange die Stadt an.
So blühen uns raderdolle Zeiten: Autos schleichen auf der Straße hinter einem Radler her - dabei ist daneben ein freier Radweg. „Das wird problematisch“, fürchtet Möller.
Zumindest die Radspuren, die wie etwa auf der Venloer Straße auf der Straße mit gestrichelten Linien gekennzeichnet sind, sind noch über das Rechtsfahrgebot zu nutzen.
Neue Radwege, wie auf der Cäcilienstraße, werden gleich auf den Fahrbahnen geplant.
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24.06.2011 - 23:25 Uhr
Radfahrer auf die Straße. Der EXPRESS-Bericht, dass für Radler die Nutzungspflicht der Radwege größtenteils entfallen wird, hat eine hitzige Diskussion ausgelöst.
Die Stadt hat angekündigt, ein Grundsatzurteil über Radwege umzusetzen. Demnach bekommen Radler in der Regel die freie Wahl, ob sie einen befestigten Radweg benutzen wollen oder lieber auf der Straße fahren.
„Das ist längst überfällig“, sagt Joachim Schalke vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Er begrüßt die neuen Regeln als „richtigen Schritt zur Stärkung des Radfahrens als gleichberechtigten Verkehrsteilnehmer“. Schalke weiter: „Das Radeln auf der Straße könnte auch die Unfallzahlen senken, da die Sichtbeziehungen zum Autofahrer wesentlich besser sind als auf unübersichtlichen Radwegen.“
„Es muss genau geprüft werden, wo man die Radler auf die Straße lässt“, fordert ADAC-Sprecherin Jacqueline Grünewald. Rheinuferstraße, Innere Kanalstraße, Clevischer Ring etwa ginge gar nicht. Und: „Ein Miteinander setzt voraus, dass sich alle an die Verkehrsregeln halten – auch die Radler.“
In einem sind sich ADAC und ADFC einig: Die Stadt muss mit einer großen Öffentlichkeitskampagne über die anstehenden Neuerungen aufklären. Ansonsten gibt es wieder Zoff auf den Straßen.